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Mit Wasser die Abwehr stärken

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Herbstzeit ist Erkältungszeit. Um das Immunsystem zu stärken, setzen viele von uns auf eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung. Das ist gut so. Doch es gibt noch ein weiteres und zudem einfaches Mittel, um die körpereigene Abwehr auf Trab zu bringen: Wasser. Das wusste bereits Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897). Seine Wassertherapie ist neben Pflanzen, Bewegung, Ernährung und Lebensordnung die wichtigste der fünf Säulen seiner bekannten und auch heute noch anerkannten Gesundheitslehre.

Wirkung über die Temperatur

Die Hydrotherapie (von griech. ‚hydros‘=Wasser) gilt als eines der ältesten Heilmittel überhaupt. Auch „Wasserdoktor“ Kneipp hat seine Lungentuberkulose allein mit Wasser therapiert. Wasseranwendungen stärken die Abwehrkräfte und das vegetative Nervensystem, wirken harmonisierend auf alle Körpersysteme und fördern die seelische Gelassenheit. „Der Trainingseffekt des Wassers besteht vor allem im Temperaturreiz. Besonders sinnvoll sind abwechselnde Wärme- und Kältereize, da sie die Gefäße und somit auch die Wärmeregulation des Körpers trainieren“, erklärt Dr. Lutz Koch, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin aus Graal-Müritz. Davon profitiere insbesondere das Immunsystem.

Wirksamkeit in Studien belegt

Zur Abhärtung genügen mitunter Güsse an einzelnen Körperpartien, wie Wissenschaftler der Universität Jena in einer Studie belegen konnten. Hierin wendeten 20 Patienten mit chronisch-obstruktiver Bronchitis (COPD) dreimal wöchentlich kalte Oberkörper-Güsse und zweimal pro Woche kalte Waschungen an. Ergebnis: Nach zehn Wochen hatten sich nicht nur die Lungenfunktion und das subjektive Wohlbefinden verbessert, sondern auch die Häufigkeit von Atemwegsinfekten verringert.

Auch am Institut für Naturheilkunde und Traditionelle Chinesische Medizin in den Kliniken Essen-Mitte gehören Wasseranwendungen zum Therapie-Programm. Institutsleiter Dr. med. Thomas Rampp hat in einer nicht-kontrollierten Beobachtungsstudie Probanden zweimal täglich kalte Wassergüsse im Gesicht durchführen lassen. Anschließend ermittelte der Mediziner den IgA-Status – Abwehrkörper im Speichel, der Nasen-, Mund- und Rachenschleimhaut. Nach einer Woche waren die Werte um 25 Prozent gestiegen. Dr. Rampp zufolge müssten zwar noch weitere Studien folgen, um eine wissenschaftlich korrekte Aussage zu treffen. Er hält die Wassertherapie jedoch für ein probates Mittel zur Abwehrstärkung: „Im Grunde ist jedoch davon auszugehen, dass sich durch die Reize der Kneipp-Therapie unter anderem die Menge des sekretorischen IgA auf den Schleimhäuten erhöht und damit die unspezifische lokale Abwehr gegen Krankheitserreger verbessert.“

Regelmäßig durchgeführt sind Wasseranwendungen nicht nur effektiv, sondern auch denkbar einfach vorzunehmen:

Wechselduschen: Besonders einfach, aber wirkungsvoll sind wechselwarme Duschen am Morgen, da sie den Kreislauf anregen und zugleich prima abhärten. So geht’s: Den Körper zeitlich im Verhältnis 10 zu 1 erst warm, dann kalt abbrausen. Herzfern mit dem rechten Bein und rechten Arm sowie dem linken Bein und linken Arm beginnen. Dann sind Bauch, Brust und Rücken dran. Die Prozedur 3- bis 5-mal wiederholen. Immer mit kaltem Wasser abschließen! Achtung: Empfindliche Menschen und solche mit Herzproblemen sollten auf extrem kaltes Wasser verzichten.

Wassertreten: Der „Storchengang“ beugt nicht nur Infekten vor, sondern entstaut auch die Beine und kräftigt die Venen. Der Kältereiz wirkt am Morgen erfrischend und am Abend beruhigend. So geht’s: Badewanne, Bottich oder großen Eimer mit kaltem Wasser füllen (knapp bis unters Knie). Bei jedem Schritt einen Fuß ganz aus dem Wasser heben. Nach 1 bis 3 Minuten wird es unangenehm kalt. Dann raussteigen. Füße nicht abtrocknen, sondern das Wasser nur mit den Händen abstreifen und warme Socken anziehen. Achtung: Wassertreten ist tabu bei Nieren- oder Blasenleiden, Unterleibsinfektionen, während der Menstruation, bei Ischias-Schmerzen, Frösteln, kalten Füßen oder Raucherbeinen.

Ansteigende Fußbäder: Sie sind besonders bei kalten Füßen und zur Vorbeugung einer Erkältung effektiv. So geht’s: Füße in warmes Wasser stellen. Dabei mit 35 Grad warmem Wasser beginnen und innerhalb von 15 bis 20 Minuten immer wärmeres Wasser hinzugießen, bis die Temperatur 39 bis 42 Grad beträgt. Das Wasser sollte bis gut über die Wadenmitte reichen. Mit kaltem Abguss beenden. Füße gut abfrottieren und warme Socken anziehen. Achtung: Bei Krampfadern darf das Wasser nur bis zum Knöchel reichen. Bei Venenentzündungen, diabetischem Fuß und Herzbeschwerden nicht durchführen.

Ganzkörperwaschungen: Sie eignen sich gut bei Abwehrschwäche und sind schnell (in 2 Minuten) gemacht. Als Zusätze eignen sich Salz (1 EL/1 l Wasser), Essig (1:3) oder 1-2 Tropfen ätherisches Öl. So geht‘s: Leinenhandtuch in kaltes Wasser (bei kälteempfindlichen Menschen 18-20 Grad) tränken, leicht auswringen und zusammenfalten. Nun zügig die Armaußen- und -innenseiten in Richtung Herz hochfahren. Dann vom Hals aus beginnend Brust und Taille waschen. Für die Rückenwaschung Tuch auseinanderfalten und mit beiden Händen über den Rücken ziehen. Abschließend Füße und Beine herzaufwärts waschen. Dabei den erwärmten Lappen umdrehen oder neu benässen. Achtung: Tabu bei frieren und frösteln.

Das sollten Sie beachten:

  • Der Körper muss vor einer kalten Anwendung immer warm sein.
  • Milde Reize stärken, starke Reize schwächen den Organismus. Im Zweifelsfall gilt: Weniger ist mehr!
  • Je kälter der Reiz, desto kürzer soll die Anwendung sein. Der subjektive Kälteschmerz ist die oberste Grenze für die Behandlungsdauer.
  • Wasseranwendungen nicht auf vollen Magen anwenden. Besser nach dem Essen zwei Stunden warten.
  • Nach den Anwendungen das Wasser nicht abtrocknen, sondern abstreifen und die Haut an der Luft trocknen lassen. Ausnahme sind stark behaarte Körperstellen. Anschließend Körper durch Bewegung oder Anziehen erwärmen.