Medical Mirror

Wie man richtig gute Artikel zu den Themen Medizin und Gesundheit schreibt

Immer mehr Menschen interessieren sich für ihre Gesundheit und wollen als aufgeklärter und selbstbewusster Patient aktiv etwas für ihr Wohlbefinden tun. Dementsprechend boomt die Gesundheitsbranche.

Ob Health-Apps, Nahrungsergänzungsmittel oder Wellnessreisen: Der Gesundheitsmarkt ist riesig und wächst immer mehr.

Texte für Gesundheitsseiten

Redaktionen und Verlage haben das Themenpotenzial längst erkannt. Das gilt nicht nur für „klassische“ Gesundheitsprintmedien wie Krankenkassen- oder Apothekenmagazine. Auch viele Tageszeitungen und Zeitschriften bieten (trotz massiver Sparmaßnahmen und Anzeigen-Rückgänge) eine regelmäßige Gesundheitsrubrik oder –seite an. Auch die Industrie weiß: Wir müssen mehr bieten als Verlautbarungen, die nur die Vorteile der Produkte in den Vordergrund stellen. Gefragt sind vielmehr Informationen, die einen echten Nachrichtenwert haben und Kundennutzen bieten.

Bedarf an hochwertigen Informationen

Kurz und gut: Der Bedarf als qualitativ hochwertigen Informationen in Sachen Gesundheit und Medizin steigt.

Und da kommen Journalisten ins Spiel, die es gelernt haben, die Informationsflut zu ordnen, Wichtiges von Redundantem zu trennen und die Informationen seriös und gleichzeitig gut verständlich aufbereiten.

Dies ist oft eine echte Herausforderung, denn:

Auf der einen Seite stehen Wissenschaftler, Ärzte oder Unternehmen im Healthsektor, die „ihr“ Thema oder Produkt gerne an den Mann beziehungsweise die Frau bringen möchten.

Auf der anderen Seite steht der Patient/Leser, der Antworten auf bestimmte Gesundheitsfragen sucht und objektiv über ein Thema informiert werden möchte.

Medizin-Journalisten als Dolmetscher

Es geht also darum, ein Thema so aufzubereiten, dass der Experte sich und seine Botschaft gut wiedergegeben fühlt, der Patient beziehungsweise Leser aber gleichzeitig einen konkreten Nutzen davon hat (also beispielweise, warum er regelmäßig zur Augenuntersuchung gehen sollte).

Für mich sind Medizin-Journalisten daher oft wie Dolmetscher, die beide Sprachen (Arzt/Wissenschaftler-Deutsch) sprechen müssen und gleichzeitig noch die Wünsche des Auftraggebers („bitte O-Töne von mindestens zwei Experten, 3 Patienten-Fallbeispielen, dazu noch 7 praktische Tipps und alles möglichst schnell) berücksichtigen müssen.

Natürlich gibt es auch Auftraggeber, die nicht genau wissen, was sie wollen. Da ist es gut, wenn der Journalist sich gut in einem Themenbereich auskennt und Hinweise zur Machbarkeit und Umsetzung geben kann. Oder wenn er eigene Themenideen beziehungsweise Texte liefern kann, wie ich es von einigen Redaktionskunden kenne. (Lesen Sie hierzu auch: https://www.medical-mirror.de/wie-man-richtig-gute-artikel-zu-den-themen-medizin-und-gesundheit-schreibt/)

Am besten miteinander reden

Damit es mit der Zusammenarbeit zwischen der Redaktion und dem freien Autoren gut klappt, ist Offenheit, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen wichtig. Und das erreicht man am besten, wenn man miteinander redet. Das sollte eigentlich für “Kommunikations-Menschen” auch kein Problem sein.

Daher mein Tipp: Meist sind zwar E-Mails, wenn es um Themenanfragen und die Auftragsvergabe geht, die Regel. Doch ich rate zu einem kurzen Telefonat – gerade dann, wenn sich Journalist und Redaktion noch nicht (so gut) kennen. Man erhält so meist viel mehr Informationen, lernt den anderen (alleine durch die Stimme) besser kennen und kann Missverständnissen (die kommen in E-Mails leicht vor) vorbeugen. Auch ein kurzer einleitender Smalltalk über das Wetter oder den anstehenden Urlaub hat nach meiner Erfahrung noch nicht geschadet.

Medizin-Journalisten finden

Doch nun genug der Vorbereitung. Dem Reden sollten Taten folgen.

Stellt sich nur die Frage, woran Verlage und andere Unternehmen einen guten Medizin-Journalisten erkennen.

Nachfolgend habe ich zehn wichtige Tipps und Regeln zusammengestellt. Wichtig zu wissen: Diese beanspruchen kein Recht auf Vollständigkeit und Allgemeingültigkeit, sind auch so meist nicht in Lehrbüchern nachzulesen, sondern beruhen im Wesentlichen auf meinen Erfahrungen:

1. Gute Medizin-News sind (oft) besser: „Bad news are good news“ („Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“) – diesen Leitsatz haben viele Journalisten noch in ihrer Ausbildung gelernt. Natürlich kann es verlockend sein, einen Skandal im Medizin- und Pharmabereich aufzudecken oder über eine (noch) unbekannte Gesundheitsgefahr zu berichten. Doch bei all dem sollte man bedenken: Mit einer alleinigen negativen Berichterstattung kann man den Leser unnötig verschrecken, ängstigen und alleine zurücklassen. Viel sinnvoller ist meiner Meinung nach dagegen, ein Thema (zum Beispiel die jährliche Grippewelle) aufzugreifen und bei dieser Gelegenheit auf die Möglichkeiten der Vorbeugung durch (Hand-)Hygiene und einen gesunden Lebensstil zur Stärkung des Immunsystems hinzuweisen.

2. Übertreiben – besser nicht. So wie man mögliche Gesundheitsgefahren nicht unnötig „aufbauschen“ sollte, sollte man in der Medizinberichterstattung keine überzogenen Hoffnungen wecken. Zugegeben: Zwischen einer positiven Berichterstattung und dem Wecken überzogener Hoffnungen ist es ein schmaler Grat, auf dem man als Medizin-Journalist wandelt. Mit Blick auf Auflagenzahlen und Anzeigenkunden suchen viele Redaktionen auch nach der besonderen Schlagzeile. Doch wenn man übertreibt, kann es heikel werden. Das gilt insbesondere, wenn man über neue Krebs-Therapien berichtet. Zwar hat sich bei den Therapien in den letzten Jahren enorm viel getan. Beispielsweise liegt die Heilungsrate beim malignen Melanom (Schwarzen Hautkrebs), wenn er frühzeitig erkannt wird, inzwischen bei fast 100 Prozent. Doch das sollte Journalisten nicht dazu verleiten, die Gefahren von Hautkrebs im Text zu verharmlosen und/oder zu vergessen, auf die Vorbeugung durch Sonnenschutz hinzuweisen. Auch bringen neue Therapien oft nicht bei allen Patienten den gewünschten Erfolg. Daher besser keine reißerischen Überschriften wie „Wunderwaffe gegen Krebs gefunden“.

3. Verstehen, über was man schreibt. Es ist eine (leidige) Grundsatzdebatte: Sollte man als Medizin-Journalist gelernter Arzt oder Journalist sein? Meine Antwort nach über 20 Jahren Tätigkeit als Medizinjournalistin (und Nicht-Ärztin): Es kommt vor allem darauf an, was an Ergebnis dabei rauskommt. Die Qualität der Arbeit überzeugt und nicht der Doktortitel (ich habe auf beiden Seiten Kollegen kennengelernt, die hervorragende Arbeit leisten). Dazu kommt: Nicht jeder ist Experte auf jedem Gebiet. Oder wie eine renommierte Medizin-Journalistin schon vor Jahren zu mir sagte: „Nicht jeder Arzt ist ein guter Journalist, und nicht jeder Journalist ist ein guter Arzt.“ Ist ein Thema neu oder schwierig, sind eine gründliche Recherche (am besten aus mehreren seriösen Quellen) und Expertengespräche umso wichtiger. Mein Tipp: Viele Journalisten haben Spezialgebiete, zu denen sie schon oft etwas geschrieben haben und bei denen sie sich gut auskennen. (Bei mir sind es beispielsweise die Bereiche Prävention, Stressbewältigung, Frauengesundheit sowie Naturheilkunde und Ernährungsmedizin.) Redaktionen und Journalisten tun gut daran, diese Expertise zu nutzen.

4. Fakten sorgfältig prüfen: Im Medizinjournalismus ist Qualität gefragt. Das versteht sich eigentlich von selbst. Dennoch schadet es nicht, an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen – im Gegenteil, denn: Im Medizinbereich kann jede Ungenauigkeit besonders schwer wiegen. Man denke nur an Einnahmeempfehlungen von Medikamenten, die bei falschen Dosierungsangaben schwerwiegende Folgen haben können. Oder an Therapien, die erst in einer vorläufigen Pilotstudie an wenigen Patienten getestet wurden. Wenn man dies nicht erwähnt und gleich allgemeingültige Empfehlungen zu dieser neuartigen Behandlungsform gibt, kann das schief gehen, wenn sich später herausstellt, dass sie mit großen Nebenwirkungen verbunden ist. Daher gilt: Alle Informationen sorgfältig prüfen und abwägen, ob die Neuigkeit auch wirklich einen Bericht wert ist.

5. Die Zielgruppe kennen: Es ist ein Riesenunterschied, ob sich ein Text an die medizinische Fachpresse oder an medizinische Laien/Patienten wendet – allein schon vom Sprachstil („Fachchinesisch“) und der Detailtiefe (beispielsweise Einzelheiten zu Studien). Aber auch innerhalb einer Zielgruppe gibt es Faktoren zu berichten (beispielsweise das Alter der Leser). Hier gilt eine einfache Regel: Je besser man sich über die Zielgruppe informiert, desto genauer und besser kann man den Text darauf abstimmen. Bei neuen Kunden fragt man am besten den Chefredakteur oder Presseverantwortlichen des Unternehmens nach der Zielgruppe. Idealerweise enthält auch schon das Briefing solche Angaben. Falls sich die Beiträge an medizinische Laien wenden (dies ist bei mir weitgehend der Fall), habe ich im Hinblick noch einen Tipp: Den Text einfach jemandem vorlesen, der der Zielgruppe entspricht (zum Beispiel Oma, bester Freund) und bei Bedarf nachbessern.

6. Auf das Wording achten. Als Journalist hat man irgendwann seinen eigenen Stil. Doch das bedeutet nicht, dass der Kunde auch die gleiche (Unternehmens-)Sprache spricht. Manche mögen in Artikeln die „Sie-Ansprache“ mit Tipps à la: „Um xy vorzubeugen, sollten Sie darauf achten, dass …“ Andere legen Wert auf geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie „Patientinnen und Patienten“. Wieder andere nehmen es mit Zahlen ganz genau: „Zahlen mit mehr als drei Stellen werden von rechts lesend mit Punkt versehen.“ Hier gilt Ähnliches wie bei der Zielgruppe: Man tut gut daran, sich vorher genau über den gewünschten Sprachstil und gewünschte Schreibweisen zu informieren. Dadurch erspart  man sich unnötige Textkorrekturen. Autorenfreundliche Redaktionen geben bereits im Briefing Hinweise zum Wording.

7. Anschaulich schreiben. Wissenschaft kann spannend, aber auch ganz schön trocken sein. Wie oft habe ich schon vor Studien oder anderem Info-Material  gesessen und mich gefragt, wie ich darauf ein spannendes Thema machen soll. Besonders deutlich wird dies bei Zahlen und Statistiken – etwas beim heiklen und ethisch kontrovers diskutierten Thema Organtransplantation. Dass Organspender schon seit Jahren fehlen, ist bekannt. Doch fängt man einen Artikel mit der bloßen Statistik an oder leiert Zahlen herunter, kippt der Leser schnell weg. Besser wäre es hier, einen konkreten Fall zu schildern: Was bedeutet der Mangel an Spenderorganen für einen Patienten, der auf ein lebenserhaltendes Spenderorgan wartet? Oder: Wie geht die Familie eines Unfallopfers damit um, das dieser sein Organ gespendet hat? Menschen mögen Geschichten. Und wenn diese (wie bei diesem Themenbeispiel) sensibel erzählt werden, umso besser.

8. Die Lebenswelt berücksichtigen: Viele medizinische Studien kommen aus dem anglo-amerikanischen Raum. Dementsprechend werden auch viele Experten aus diesen Ländern zitiert. Natürlich kann man die Studien und Statements auch für deutschsprachige Medien aufgreifen (ich mache das häufig auch so). Wichtig ist jedoch die Frage, welche Bedeutung das Thema für die deutschen Leser/innen hat. Wird beispielsweise jenseits des großen Teiches über Melatonin-Pillen als „Wunderdroge“ gegen Schlafstörungen und Jetlag berichtet, ist das zwar spannend, aber für den meisten Leser hierzulande eher abstrakt, da das „Schlafhormon“ als Arzneimittel hierzulande nicht freiverkäuflich ist und nur in ganz bestimmten Fällen zugelassen ist. Das Gleiche gilt, wenn nur ein US-Mediziner zu Worte kommt, aber fehlt, wie deutsche Fachgesellschaften oder Experten zu dem Thema stehen.

9. Kein erhobener Zeigefinger: Im Gesundheitsjournalismus neigt man als Autor leicht dazu, den Lesern Ratschläge zu geben. Das ist – soweit es passt – auch in Ordnung. Doch bitte nicht mit erhobenem Zeigefinger! Für die meisten Leser ist es nämlich frustrierend, wenn sie es nicht schaffen, 2,5 Stunden wöchentlich Sport zu treiben, wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, oder nicht die von den Ernährungsgesellschaften 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag essen. Zumal sich die meisten Autoren selbst nicht immer an ihre eigenen Empfehlungen halten (psst – nicht verraten! ;-)). Besser: Tipps überlegen, wie man es trotz Job und Familie (und damit wenig Zeit) es schafft, sich gesünder zu ernähren. Diese sollten zudem keine engen oder strengen Vorgaben enthalten (etwa „Essen Sie nach 18 Uhr nichts mehr.“)  sondern bessern Anregungen liefern, die zu den Lebensumständen der Leser passen (also besser: „Günstig sind leichte Mahlzeiten am Abend, zum Beispiel …“).

10. Achtung Werbung: Auch wenn die Grenzen in vielen Medien immer mehr zu verwischen drohen: Redaktionelle Berichterstattung und Werbung gehören getrennt, um den Lesern möglichst objektive Informationen zu liefern. Auch das (inzwischen etwas gelockerte) Heilmittelwerbegesetz (HWG) enthält einige Vorgaben, um Patienten durch eine „unangemessene“ Werbung vor Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch zu schützen. Die gesetzlichen Bestimmungen aufzuführen, würde an dieser Stelle zu weit führen. Vieles davon ist kompliziert und auch Auslegungssache. Dennoch sollten Medizin-Journalisten die Vorgaben (zum Beispiel das Verbot der Laienwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel) zumindest in Grundzügen kennen, um Schwierigkeiten zu vermeiden und ihre Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel zu setzen.  Denn an dieser werden sie letztendlich gemessen.